Bei Auffahrunfällen in den verschiedensten Konstellationen gibt es in der deutschen Rechtsprechung zahlreiche Urteile, die verschiedene Aspekte der Haftungsverteilung, Beweislast und besondere Umstände beleuchten. Hier sind einige wesentliche Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) und anderer Gerichte sowie ihre Kernaussagen:
1. Anscheinsbeweis beim Auffahrunfall
Der BGH bestätigte den allgemeinen Grundsatz, dass bei einem Auffahrunfall in der Regel der Anscheinsbeweis dafür spricht, dass der Auffahrende die Schuld trägt. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO, wonach der Sicherheitsabstand so groß sein muss, dass auch bei plötzlichem Bremsen des Vorausfahrenden ein Auffahren vermieden werden kann.
2. Beweislast bei abruptem Bremsen
Das Oberlandesgericht München entschied, dass der Auffahrende den Beweis erbringen muss, dass der Vordermann grundlos oder unvorhersehbar stark gebremst hat, um den Anscheinsbeweis zu entkräften. Wenn der Vorausfahrende plötzlich und ohne ersichtlichen Grund bremst, kann eine Mitschuld des Vorausfahrenden in Betracht kommen.
3. Schadensverteilung bei erzwungenem Bremsen
Hier entschied der BGH, dass der Anscheinsbeweis zu Lasten des Auffahrenden nicht greift, wenn dieser nachweisen kann, dass er nur aufgrund eines fremdverschuldeten Ereignisses (z.B. ein dritter Verkehrsteilnehmer erzwingt ein starkes Abbremsen des Vordermanns) aufgefahren ist.
4. Rückwärtsfahren und Auffahrunfall
Der BGH entschied, dass der Anscheinsbeweis zugunsten des Auffahrenden entkräftet ist, wenn der Vorausfahrende unerwartet rückwärtsfährt. In einem solchen Fall liegt die Hauptschuld meist beim rückwärtsfahrenden Fahrzeug.
5. Unfall auf der Autobahn
Der BGH betonte, dass auf Autobahnen aufgrund der höheren Geschwindigkeiten besondere Sorgfaltspflichten gelten. Hierbei wurde bestätigt, dass der Sicherheitsabstand großzügiger bemessen sein muss, und Auffahrunfälle aufgrund eines plötzlichen Spurwechsels des Vorausfahrenden zu einer Mitschuld des Spurwechsels führen können, sofern dies nachgewiesen werden kann.
6. Auffahrunfall durch überhöhte Geschwindigkeit
Das OLG Hamm entschied, dass bei Auffahrunfällen, bei denen der Auffahrende nachweislich die zulässige Höchstgeschwindigkeit deutlich überschritten hat, eine überwiegende oder alleinige Haftung des Auffahrenden angenommen werden kann.
Diese Urteile verdeutlichen, dass die Gerichte in Deutschland beim Auffahrunfall in der Regel den Anscheinsbeweis zugunsten des Vorausfahrenden anwenden, der Auffahrende also eine besondere Sorgfaltspflicht hat. Ausnahmen und Abweichungen können jedoch eintreten, wenn spezifische Umstände vorliegen, wie etwa ein abruptes Bremsen ohne ersichtlichen Grund, ein Rückwärtsfahren des Vorausfahrenden oder ein fremdverschuldetes Bremsen.
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